Ziel

Nehmen wir ein klassisches Märchenmotiv zur Hand: Wenn der Schatz dem Wunsch der Figur entspricht, ist es ihr Ziel – ganz klassisch – den Drachen zu schlagen.

Da es den Schatz in der Regel schon länger gibt, muss es einen Anlass dafür geben, die Geschichte exakt zu diesem Zeitpunkt beginnen zu lassen. Ein solcher Auslöser kann die Notwendigkeit oder das Begehren einer Figur sein, den Schatz in Besitz zu bringen. An dieser Stelle setzt die Handlung ein. Meist erfolgt dies bei Auftreten eines externen Problems, das einen Grund bietet, warum der Protagonist den Schatz genau jetzt benötigt – ein wenig spezifischer als der allgemeine Wunsch, reich sein zu wollen. Damit wäre die Option, den Schatz zu gewinnen, nicht der alleinige Grund. Es bedarf gewissermaßen der Dringlichkeit, bspw. einer Prinzessin in Bedrängnis, die gerettet werden will. Wie auch immer: Das Ziel ist in dem Fall, den Drachen zu bezwingen.

Ziel vs. Wunsch

Das Ziel markiert das Ende der Reise, welche die Figuren zu Anfang der Geschichte antreten. Das Ziel entspricht quasi dem Portal, durch das der Protagonist schreiten muss, um dahinter hoffentlich seinen Wunschzustand zu erreichen. Zumindest ist es das, was die Figur glaubt, und sie strebt solange danach, bis dieser eintritt – falls es so geschieht.

Man muss hier ganz klar zwischen Ziel und Wunsch unterscheiden:
Das Erreichen des Ziels markiert einen wichtigen Wendepunkt in der Geschichte, oft ist es der Mittelpunkt bzw. der Plot Point, mit dem die Krise gekennzeichnet wird.
Der Wunsch hingegen stellt keinen Wendepunkt dar, sondern ist auf das Erreichen eines Zustands (Glück, Reichtum, Macht etc.) hin ausgerichtet und somit ein wenig diffuser als das Ziel in der Definition. Er ist nicht Teil des Geschichtsverlaufs, denn in dem Moment, wenn die Figur das erreicht hat, was sie eigentlich will (sofern sie es erlangt), ist die Geschichte zu Ende.

Das Ziel ist Teil der Oberflächenstruktur einer Geschichte. Es gibt eine klare Richtung vor, sowohl für den Plot als auch für die Teilhaber an der Story: den Leser/Zuschauer, die Figur selbst (insbesondere Protagonisten), den Erzähler und den Autor. So wissen also alle, wohin die Reise geht, und machen sich auf, sie anzutreten.
Die Freude und die Unterhaltung, die wir dabei empfinden, ist das Movens. Erinnern wir uns kurz daran, dass Neugierde und Interesse ganz eng mit der Erwartungshaltung des Lesers/Zuschauers gekoppelt sind. D. h. eine Geschichte nach diesen Maximen aufzuziehen – ein Ziel zu definieren, die Figur danach streben und dabei Hindernisse überwinden zu lassen (in welcher Form auch immer) – ist ein bewährtes Mittel, die Aufmerksamkeit des Lesers/Zuschauers zu fesseln.
Verschiedene Bedeutungsebenen, der Verweis auf ein inneres Problem, das in der Wechselwirkung unterhalb der Oberflächenstruktur der Geschichte und unabhängig von dem vordergründigen Ziel eine Komplexität mit hineinbringt, verleiht der Story mehr Tiefe. So wird offenbar, dass die Figur eigentlich eine ganz andere innere Notwendigkeit hat.

Die Figur muss dann gewahr werden, dass das Erreichen des Ziels womöglich nicht die letzte Station war, sondern hier noch Erkenntnis, Offenbarung, Lerneffekt und emotionale Entwicklung mit einhergehen, wodurch das Ziel seine Bedeutung in dem Moment verliert, wenn es erreicht ist.

9_extern_Ziel

FOLGE UNS!

Abonniere unseren Blog